VOA-Geschäftsführerin Dr. Alexa A. Becker im Interview
„Trotz Corona: Wir bleiben optimistisch und packen Herausforderungen aktiv an“
Seit über einem Jahr lebt die Welt mit den vielfältigen Auswirkungen der Corona-Pandemie und wird es auch weiterhin tun. Die Folge: Ein echter Ausnahmezustand mit enormen Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens sowie ungeahnten Einschränkungen in der Wirtschaft. Auch die Branche der Oberflächenveredelung ist von den weltweiten Entwicklungen betroffen. Wie sehr und warum sie sich den Optimismus nicht nehmen lässt, verrät Dr. Alexa A. Becker, Geschäftsführerin des Verbands für die Oberflächenveredelung von Aluminium e. V. (VOA), im Interview.
Frau Dr. Becker, wie ist die Branche der Oberflächenveredelungsindustrie bislang durch die von der Corona-Pandemie geprägte Zeit gekommen?
„Unsere Mitgliedsunternehmen kämpfen tapfer an allen Fronten, wie letztlich alle Branchen in unterschiedlicher Art und Weise. Im Bereich der Oberflächenveredelungsindustrie lief die Produktion unter immer wieder neu zu überprüfenden Bedingungen weitgehend weiter. Einerseits gibt es ständig dem aktuellen Pandemiegeschehen angepasste behördliche Vorschriften, andererseits geht es schlicht und ergreifend um die Fürsorge, um den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter in der laufenden Produktion und in den Büros der Unternehmen. Schon vor dem zweiten Lockdown wurde möglichst vielen Mitarbeitern im Büro Homeoffice angeboten und es ging darum, einen von der Politik in die Diskussion gebrachten Lockdown in der Produktion unbedingt zu vermeiden. Die Unternehmen überarbeiteten schnell und gezielt die Gefährdungsanalysen in Anbetracht des Pandemiegeschehens, justierten Hygienepläne, die sowohl die Mitarbeiter als auch außenstehende Personen, wie z. B. Lieferanten oder Speditionen umfassten, und schulten Mitarbeiter. Von daher hat sich die Branche durch das professionelle Handeln zum Glück nicht zum Hotspot entwickelt. Uns freut, dass nur wenige Mitarbeiter der Unternehmen bisher erkrankten und insbesondere die Produktion bisher unter den strengen Hygienebedingungen weiterlaufen konnte.
Wir als Verband möchten natürlich wissen, wie es den Unternehmen geht und fragen dies in regelmäßigen Blitzumfragen ab, die schnell und unkompliziert zu beantworten sind. Für uns ist das ein wichtiges Tool, um mit den Ergebnissen auf die Politik zugehen zu können, damit die Branche bei den politischen Entscheidungsfindungen Gehör bekommt.
So, nun zum Ergebnis unserer Blitzumfrage: Immerhin schätzen 95 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen die Entwicklung ihres Unternehmens für das laufende Jahr positiv bis mittelmäßig ein. Allerdings bedauern die Unternehmen einen Rückgang bei der Kapazitätsauslastung, beim erwarteten Umsatz und bei den Auftragseingängen. Alles jedoch aktuell in einem geringeren Maß wie vor über einem halben Jahr schmerzlich befürchtet wurde. Die Kurzarbeit entpuppte sich bei einem Drittel der Firmen als wertvolles Instrument für die Unternehmens- und Beschäftigungssicherung von qualifiziertem Personal. Dies kommt den Unternehmen insgesamt zugute.“
Wie unterstützen Sie als Verband Ihre Mitglieder?
„Wir verstehen uns als der Branchenverband der Oberflächenveredelungsindustrie und das bedeutet: In unserer DNA ist fest verankert, unsere Mitgliedsunternehmen zu unterstützen.
Das ist einmal die schnelle Information über aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen. Diese kamen von unserem Dachverband vbw (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.) und aus der Politik -gefühlt manchmal nahezu im Stundentakt. Hier ist es unsere Aufgabe, diese Informationen unseren Mitgliedern praxisnah zugänglich zu machen, sich daraus ergebende Fragen zu beantworten, nützliche Empfehlungen zu geben, Vorlagen zu erstellen und vieles mehr. Inzwischen geht alles schnell über unsere digitalen Kanäle, wie Homepage, Facebook und Instagram. Als die Diskussion Fahrt aufnahm, die Produktion ebenfalls in den Lockdown zu schicken, haben wir mit einer Serie in den sozialen Medien noch einmal praktische Tipps für den Unternehmensalltag gegeben. Aus unseren Aktivitäten resultiert, dass unsere Mitgliedsunternehmen mit immerhin 93 Prozent angeben, gut über Präventionsmaßnahmen informiert zu sein. Zum Glück läuft die Produktion derzeit weiter.
Darüber hinaus machen wir die Anliegen der Mitgliedsunternehmen bei den politischen Entscheidungsträgern deutlich. Wissen Sie, unsere Branche ist zwar klein, aber aus der Lieferkette nicht hinweg zu denken. Als Verband geben wir der Branche der Oberflächenveredlungsindustrie eine Stimme. Wir lassen die Ergebnisse unserer Blitzumfragen in die zahlreichen politischen Aktivitäten einfließen und haben von daher eine zuverlässige Datengrundlage.
Selbstverständlich stehen wir jedem Mitgliedsunternehmen mit Rat und Tat zur Seite, um gemeinsam Ideen zu entwickeln und voran zu kommen. Gerade im technischen Bereich haben wir uns sehr weiter entwickelt: Das hat man bei der VOA-Benchmarkstudie zum Thema Recyclingaluminium gesehen, die wir allen Mitgliedsunternehmen zugänglich gemacht haben. Darüber hinaus arbeiten wir auch daran, dass unsere Mitgliedsunternehmen durch die internationalen Qualitätszeichen QUALANOD, QUALICOAT und QUALISTRIP in globale Lieferketten integriert sind. Ich könnte noch viele weitere Leistungen unseres Verbands aufzählen, aber lassen Sie mich nur noch ein wichtiges Thema in den Vordergrund rücken, nämlich die Fort- und Weiterbildung. Der VOA bietet regelmäßig Kurse für unterschiedliche Zielgruppen an. Stolz darauf bin ich, dass wir inzwischen auch mit digitalen Tools arbeiten, die gut angenommen werden.
Wir stellen uns den Herausforderungen der Zukunft - gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen.“
Welche Herausforderungen begegnen den Oberflächenveredlern noch, abgesehen von der Corona-Pandemie?
„In der Tat gibt es zahlreihe weitere Themen, die uns beschäftigen. Zum einen hat sich insbesondere der digitale Transformationsprozess der Industrie weltweit rasant beschleunigt. Zum anderen bringen die ambitionierten Klimaziele der Europäischen Kommission vor allem angesichts der Schwächephase der europäischen Wirtschaft, Belastungen – aber auch Chancen – für die Industrie mit sich. Vor allem im Hinblick auf die Erfüllung der Vorgaben des European Green Deal und des Pariser Klimaschutzabkommens stehen Veränderungen an. Unsere Mitgliedsunternehmen sehen sich beispielsweise mit Themen wie Nachhaltigkeit, weiterer Energieeinsparungen, dem noch effizienteren Einsatz von Ressourcen und der weiteren Reduzierung von Emissionen konfrontiert. Wirtschaftlichkeit und soziale Verträglichkeit sollten vor allem vor dem Hintergrund der aktuell zu bewältigenden Corona-Krise mehr denn je Hand in Hand gehen, denn nur eine starke und wettbewerbsfähige Industrie kann für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen und die notwendigen Investitionen in Klima- und Umweltschutz erwirtschaften. Das ist eine echte Zukunftschance auch für die Unternehmen in der Oberflächenveredelungsindustrie. Für eine erfolgreiche Transformation gilt es, zusammen zu arbeiten, langfristige, industriepolitische Rahmenbedingungen zu schaffen; zum Beispiel wünschen wir uns eine sinnvolle Förderung von Innovationen und Forschung, eine Minimierung der Energiepreise, eine Senkung von Unternehmenssteuern und die Beseitigung bürokratischer Hürden.
Ein wichtiges Anliegen ist uns das Thema Ausbildung, denn nur mit professionell und gut ausgebildeten Fachkräften lassen sich die anstehenden Herausforderungen bewältigen. Im Blick haben wir auch den Fachkräftemangel, dem es entgegen zu treten gilt. Unsere Unternehmen beschäftigt das Thema, das womöglich nach der Corona-Pandemie noch einmal neu zu bewerten ist.“
Wie sehen Sie die Zukunft der Branche?
„Die anstehenden Herausforderungen bieten Chancen, die es zu ergreifen gilt. Diese Umbruchsituation hat eine Innovationsdynamik herbeigeführt, die Arbeitsprozesse haben sich verändert, Telefon- und Videokonferenzen treten beispielsweise an die Stelle von Dienstreisen und Präsenzterminen – alles wird digitaler und agiler. Das wirkt sich auch auf die Branche der Oberflächenveredelungsindustrie aus. Auch hier wird über die Industrie 4.0 nachgedacht und darüber, welche Schritte für die Zukunftssicherung nötig sind.
Festzuhalten bleibt, dass Aluminium als Werkstoff nachhaltig ist und gut verfügbar. Seine Korrosionsbeständigkeit, Verschleißfestigkeit oder auch andere geforderte Eigenschaften werden auch durch die Oberflächenveredelung erreicht. Das bedeutet, dass der Branche der Oberflächenveredelungsindustrie eine erhebliche Bedeutung zukommt, die künftig noch mehr wachsen wird. Grund genug, auch in der aktuell herausfordernden Zeit in die Zukunftsfähigkeit zu investieren. Wir bleiben trotz der gegenwärtigen, belastenden Situation optimistisch, unterstützen unsere Mitglieder wie gewohnt nach besten Kräften und bringen die Stimme der Oberflächenveredelungsindustrie in die Politik, um gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen.“